Predigt über Joh 16,23 - 28.33
am 25.5.2025 Sonntag Rogate |
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Ort: Tüllingen |
Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen. Amen.
Liebe Schwestern und Brüder, liebe Gemeinde,
Einleitung
Etwa vor einem Jahr gab es für uns als Familie diese besondere Situation. Da standen wir in der Abflughalle im Flughafen Basel-Mulhouse und verabschiedeten eine unserer Töchter. Sie machte sich auf zu einem vierteljährigen Aufenthalt in Peru. Wenn auch nur ein viertel Jahr und mit all den uns heutzutage gegebenen Kommunikationsmöglichkeiten um in Echtzeit in Kontakt zu bleiben - es war ein besonderer Moment. Ein Moment des Abschieds und es stellte sich die Frage: Was ist jetzt von Bedeutung? Was will ich meinem Kind noch mitgeben? Da gilt es die Worte abzuwägen, sich auf das zu konzentrieren was wichtig ist. Ein ganz besonderes Gewicht erhalten diese Augenblicke dann, wenn es ein Abschied für immer ist. Abschiedsworte an einem Sterbebett sind von besonderer Bedeutung und wirken oft noch sehr lange nach.
In einer solchen Situation stehen die Menschen, von denen der Abschnitt in der heiligen Schrift erzählt, der uns an diesem Sonntag Rogate als Grundlage für die Predigt gegeben ist.
-- Text lesen: Joh 16,23-28.33 -
In den Versen ist festgehalten, was Jesus als Letztes seinen Jüngern im Abschied sagt, welche Anweisungen er ihnen gibt. Er will seine Leute auf das vorbereiten, was in der Zukunft auf sie zukommen wird. "In der Welt habt ihr Angst, aber seit guten Mutes, ich habe die Welt überwunden." Der Evangelist Johannes überliefert uns diesen Satz als letzten, den Jesus vor seiner Verhaftung und Tod seinen Jüngern sagt. Ein Vers der sicherlich vielen von uns bekannt ist.
Eine Aussage, die es in sich hat, die auch immer wieder gerne zitiert wird und an die man sich erinnert. Und fast automatisch bin auch ich an diesem Vers hängen geblieben. Alles, was Jesus seinen Jüngern zuvor gesagt hat, scheint er in diesem Vers zusammenfassen zu wollen. Drei Gedankengänge die sich bei mir im nachdenken über diese Verse ergeben haben, möchte ich mit ihnen teilen:
1. Unsere Situation in dieser Welt - von Angst geprägt.
Unsere Situation und unser Empfinden in dieser Welt ist oft von Angst geprägt. Wenn Jesus das so feststellt, wir das heute so lesen, dann finde ich in diesen Worten Trost. Da merke ich, ja dem kann ich zustimmen, das erlebe ich in meinem Alltag immer wieder. Vielleicht ist das der Grund, warum dieser Vers, diese Aussage immer wieder gerne zitiert wird. Das wir Angst haben, uns Sorgen und Nöte bedrücken, das entspricht unseren eigenen Erfahrungen, mal mehr und mal weniger.
Diese Erfahrung wird von vielem genährt, großem und kleinem: da ist die Sorge um die Umwelt gepaart mit der Angst um die eigene Gesundheit. Da macht sich der eine Sorgen um den Weltfrieden während den Nachbarn die Angst um den Arbeitsplatz umtreibt. Ich denke auch an die Sorge des Schülers vor der nächsten Klassenarbeit oder an die Furcht des kleinen Kindes vor den Schatten in der Nacht.
Sorgen und Ängste, und seien sie noch so klein, sollten wir nicht vorschnell mit oberflächlichen Ratschlägen oder Vertröstungen beiseite schieben. Vielmehr sollten wir denjenigen, der diese Ängste hat und sie äußert, ernst nehmen und ihm diese Angst zunächst einmal zugestehen. Jesus tut das hier auch. Er gesteht seinen Jüngern damals und ihnen und mir heute, unsere Angst zu. Es wird so sein, dass ihr Angst habt. Er sagt an dieser Stelle nicht, ihr braucht keine Angst zu haben oder tadelt uns wegen unserer Angst. Nein sagt er, solange ihr in dieser Welt lebt, euch mit dieser Welt auseinandersetzen müsst, gehört die Angst dazu.
Der Horizont weitet sich noch etwas, wenn wir bedenken, dass die ursprüngliche Bedeutung des verwendeten griechischen Wortes Bedrängnis ist. Dabei kann an äußere Bedrängung gedacht werden. Ein Umstand den die Gemeinde Jesu immer wieder erfahren hat und auch heute noch in vielen Ländern dazugehört. Wir haben das Privileg in einem Land zu leben, in dem wir einer solchen äußeren Bedrängnis, Gott sei Dank, nicht ausgesetzt sind. Wir können in aller Freiheit Gottesdienst feiern. Aber ich denke es ist durchaus angebracht, diese Bedrängnis auch in einem übertragenen Sinn zu verstehen. Auch wenn wir nicht um unseres Glaubens willen verfolgt und unsere Kirchen und Gemeindehäuser von Staats wegen geschlossen werden, ist unsere Glaube, unsere Nachfolge doch immer wieder bedrängt.
Eine solche Bedrängnis erleben wir möglicherwiese dann, wenn es um unsere Wahrhaftigkeit geht, vor allem dann, wenn die Maßstäbe um uns herum andere sind als die unseren, die wir aus der biblischen Botschaft abgeleitet haben. Da werden wir herausgefordert, das auch zu leben, was uns Jesus aufgetragen hat und was wir von Christ sein, von Nachfolge verstanden haben. Wenn es darum geht, was in meinem Leben Priorität hat: Gottes Weisungen oder die Maßstäbe dieser Welt oder mein eigener Vorteil. Wenn es zum Beispiel darum geht, den Kreislauf von "wie du mir, so ich dir" zu durchbrechen oder bei der Steuererklärung Rückgrat zu zeigen und beim Volkssport der Steuerhinterziehung nicht mitzumachen oder wie war das nochmals mit dem falsch Zeugnis geben? Solche Situationen können sich dann schon zu einer inneren Zerreißprobe entwickeln, in der ich in meiner Nachfolge bedrängt bin.
Aber Jesus kennt auch diese Angst, wusste wovon er redete, denn er selbst hatte Angst, Todesangst erfahren1. Darum weiß er wovon er spricht und ich komme zu meinem zweiten Gedankengang:
2. Eine besondere Herausforderung - das Gebet.
Einer unserer Lebensbereiche in denen wir bedrängt werden können und in denen wir herausgefordert sind ist das Gebet. Jetzt denken sie vielleicht: Wie bitte, was hat er da gesagt? Das hat sich doch vorhin im Predigttext doch ganz anders angehört - oder? Hat da Jesus nicht recht unbekümmert und zuversichtlich zum Gebet aufgefordert, uns Mut gemacht, das Gebet zu suchen, gerade angesichts von Bedrängnissen?"
Ja dem stimme ich auch zu und sehe im Gebet, ganz gleich wie wir es gestalten, eine der zentralen spirituellen Praktiken und Lebensvollzüge von uns Christen. Für mich sind Zeiten des Gebetes die Momente, in denen ich mich in besonderer Weise und ganz bewusst in die Gegenwart Gottes begebe und mich IHM öffne. Ganz gleich, ob ich das alleine im stillen Kämmerlein tue oder in Gemeinschaft mit anderen Menschen wie hier im Gottesdienst, laut oder leise, frei formuliert oder in liturgischen Formen oder einfach mit einem Stoßgebet. Diese Hinwendung geschieht aus der Überzeugung heraus, dass ich einen lebendigen Gott habe, einen Gott der sich für uns, sie und mich, für mein Leben und all unsere Belange interessiert, einen Gott der uns begegnen will und begegnet. Und diese Zuwendung geschieht auch aus der Überzeugung und Erwartung heraus, dass Gott auf unser, mein beten reagiert und handelt.
Und genau hier liegt die Herausforderung, genau hier kann es zu Bedrängnissen kommen. Dann, wenn wir den Eindruck haben, Gott hört uns nicht, unser Gebet geht ins Leere, verpufft ungehört. Da kommen wir mit den unterschiedlichsten Anliegen betend vor Gott, suchen bei IHM Zuflucht, Trost und Hilfe, ringen auf den Knien und es geschieht: nichts - vermeintlich nichts. Und sie ahnen es, auf das Wörtchen "vermeintlich" kommt es an.
Aus den Aus- und Zusagen die wir in der Bibel finden leiten wir die Vorstellung ab, dass hier ein mechanischer Zusammenhang besteht zwischen bitten und Gebetserhörung oder Gottes Handeln. Und wenn dies nicht so funktioniert wie wir uns das vorstellen, dann suchen wir einen Schuldigen, und das ist meist der Beter oder die Beterin. Da rollen Fragen heran wie habe ich richtig oder genug gebetet, insbesondere deshalb, weil uns immer wieder zugesagt ist, dass unser Gebet erhört wird aber eben mit einer Einschränkung: In den biblischen Aussagen heißt es betet und es wird euch gegeben, bittet und ihr werdet empfangen, ja genau so, aber es steht nirgends, ihr werdet genau das empfangen, um was ihr bittet oder gebeten habt. Dorothee Adrian, eine Basler Theologin hat in einem Interview dieses Verhältnisses Gott und Beter und die von uns mitgedachte Rollenverteilung von Beter und Gott mit einer mathematischen Gleichung verglichen. In dieser Gleichung gibt es eine Variable und diese Variable sind wir, bin ich. Und wenn diese Gleichung nicht aufgeht im Sinne von Gebet wird nicht erhört, Gott schweigt, dann stimmt etwas bei mir nicht, ich habe nicht richtig gebetet oder es gibt irgendeine verborgene Sünde durch die verhindert wird, dass Gott auf mein Gebet reagiert. Dorothee Adrian fragt, was wäre wenn nicht ich, sondern mein Gottes-Bild die Variable oder die Unbekannte ist?2 Also wenn meine Vorstellungen wie Gott ist und wie ER reagieren muss "falsch" oder nicht zutreffend sind?
Ich kann ihnen und mir diese Zweifel und Fragen nicht wegwischen und beantworten, und ich will es auch nicht. Was ich tun kann ist, ihnen Mut zu machen, sich zu fragen, stimmt den mein Bild von Gott dabei aber trotzdem diesem irgendwie unbekannten Gott weiter zu vertrauen. Trotzdem daran, an IHM festzuhalten, dass Gott nicht das gibt worum ich bitte aber das, was ich brauche bzw. mir gut tut und mein Bitten nicht überhört. An dieser Stelle biege ich ab zu meinem dritten und letzten Gedankengang und als Überleitung dient mir das Wort "Mut".
3. Die Perspektive für uns: Mutig sein weil Jesus diese Welt überwunden hat.
Zu Beginn dieses Jahres hat dieses Wort Mut, mutig weltweit furore gemacht. Die Bischöfin der episkopalen Diözese Washington Mariann Budde redete dem neu ins Amt eingeführten US Präsidenten Trump bei dessen Gottesdienstbesuch ins Gewissen. Danach wurde sie immer wieder darauf angesprochen, woher sie den Mut nahm. Darauf angesprochen, sagte sie in einem der vielen Interviews: "Mut ist Schritt für Schritt gelernt. Es gibt Momente im Leben, in denen wir eine Entscheidung treffen müssen, die uns Angst macht. Doch aus irgendeinem Grund werden wir davon angezogen. Ich wollte diese Momente würdigen und die Menschen dazu anleiten, Mut als viele kleine Schritte zu betrachten."3 Mut also nicht als Eigenschaft oder Haltung sondern als Prozess.
Am Ende unserer Perikope finden wir dieses Wörtchen Mut. Dort heißt es in Vers 33: Seid getröstet, zumindest in der Luther oder Züricher Übersetzung. Aber wörtlich heißt es da: qarse,w - mutig sein. Mut braucht, wie Hoffnung, einen Bezugs- oder einen Ankerpunkt. Mut hängt nicht irgendwie im luftleeren, bezugsleeren Raum sondern macht sich an irgendetwas fest. Einer Erfahrung, einer Idee, einer Aussage, einem Ziel oder irgendetwas anderem. An dieser Stelle macht sich dieses getröstet, entsteht dieses mutig sein durch die Zusage Jesu, dass er die Welt überwunden habe. Und er sagt dieses "habe" noch vor Gethsemane, Golgatha und Ostern. Das ist mir wichtig, dass er überwunden und nicht besiegt oder unterworfen hat. Jesus hat diese Welt und uns zu Ende geliebt und liebt noch heute.
So können wir unser getröstet sein, kann sich unser Mut in unseren Lebensvollzügen daran fest machen. Dann können wir immer wieder zu diesem Gott kommen der Jesus auferweckt hat, IHM mit dem in den Ohren liegen, was uns beschäftigt. Nicht ab- und loslassen von IHM, so wie das Jesus auch nicht getan hat. Der sich immer wieder unserem Gott anvertraut, nicht aufgehört hat IHM zu vertrauen und so diese Welt überwunden hat. Er hat nicht mitten drin aufgehört und gesagt, so jetzt reichts mir, sondern hat nicht aufgehört diese Welt, sie und mich zu lieben.
Es wäre sicherlich leichter gewesen, sich von dieser Welt abzuwenden. Aber das ist nicht Gottes Stil, ist nicht sein Umgang mit uns. In diesem überwunden drückt sich aus, dass Gott und Jesus diese Welt nie aufgegeben sondern wieder zu Recht gebracht hat.
Schluss
Trotz vielfältiger Erfahrungen die den Eindruck hinterlassen, Gott hat dieser Welt den Rücken gekehrt, hört nicht mehr auf unser Beten, werden wir an diesem Sonntag Rogate dazu ermutigt und aufgefordert, das Gebet und so Gott zu suchen. Gerade dann, wenn sich Angst und Sorge in unserem Leben breit macht und unser Vertrauen bedrängt ist, sollen wir frohen Mutes sein, weil uns zugesagt ist, dass unser Gott bei uns ist und uns nicht alleine lässt. Er hat versprochen uns immer mit dem zu versorgen, was wir brauchen und nötig haben. In diesem Vertrauen sollen wir leben und Jesus Christus nachfolgen und daran festhalten mitten in dieser Welt, damit auch wir zu Überwindern werden.
Amen.
- Es gilt das gesprochene Wort! -
Diese Predigt wurde verfasst von:
Karl-Heinz Rudishauser
Hartmattenstr. 17
79539 Lörrach
07621/425 09 26
eMail: karl-heinz.rudishauser(a)t-online.de
1 Lk 22,44
2 GEIST.Zeit, Folge Gebet reloaded - nach der Dekonstruktion, ab ca. Min. 15; https://www.reflab.ch/gebet-reloaded-nach-der-dekonstruktion/
3 zuletzt aufgerufen am 14.5.2025
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